Edgar L. Gärtner

Öko-Nihilismus. Eine Kritik der Politischen Ökologie


CFACT Europe, TvR Medienverlag, Jena 2007. ISBN 978-3-00-020598-9. 284 Seiten. 6,90 EUR (D), 9,00 SFR (CH)

Ein überraschendes Ökologiebuch. Überraschend deshalb, weil es, obzwar von einem studierten und engagierten Ökologen geschrieben, eher philosophisch, wissenschaftssoziologisch, ökonomisch und demokratietheoretisch, ja streckenweise sogar theologisch argumentiert. Die umfangreiche Bibliografie lässt auf eine große Belesenheit des Autors schließen. Edgar Gärtner kennt als vom Katholizismus, aber auch von der 68er Revolte geprägter Endfünfziger viele der heutigen Umwelt-Aktivisten unbekannte Hintergründe und Details der Geschichte der internationalen Umweltpolitik seit den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Dabei wird deutlich, dass der beinahe zeitgleiche Start der neuen Politik in allen führenden Industriestaaten keine Frucht einer irgendwie gearteten Verschwörung, sondern überwiegend Ergebnis der Nachahmung eines zuerst in den USA unter dem damaligen Präsidenten Richard Nixon erfolgreich erprobten Politikmodells war.

Wie Gärtner schreibt, wurde die Umweltpolitik in den 70er und 80er Jahren zum erfolgreichsten Politikbereich überhaupt. Aber gerade ihre eindrucksvollen Ergebnisse bei der Reinhaltung der Gewässer und der Luft lockten die Umweltpolitik in die Falle des Populismus, in eine von Katastrophenangst und Hysterie getriebene mentale und tendenziell auch ökonomische Abwärtsspirale. Mit anderen Worten: Als die Bekämpfung konkreter, messbarer Belastungen von Wasser und Luft bereits große Fortschritte gemacht hatte und die Umweltpolitik somit dabei war, sich selbst überflüssig zu machen, begannen sich Politiker um ungelegte Eier zu sorgen, indem sie sich im Namen des "Vorsorgeprinzips" der vorgeblichen Bekämpfung hypothetischer Zukunftsprobleme wie dem als Bedrohung empfundenen oder hingestellten Klimawandel zuwandten. Nur so glaubten sie, sich weiter auf der Erfolgsschiene bewegen zu können. Sie irrten sich nicht. Da sie auf die Urangst anspielt, der Himmel könne einstürzen, fand die "Klimapolitik" noch rascher Anhänger als die klassische Umweltpolitik.

Gärtner zeigt, dass die dem "Vorsorgeprinzip" zugrunde liegende Denkfigur des Alles oder Nichts ein Kind des Kalten Krieges zwischen dem mehr oder weniger marktwirtschaftlich verfassten Westen und der Befehlswirtschaft des Ostens ist. Es ließen sich damit Investitionen rechtfertigen, die sich, rein ökonomisch gesehen, bei weitem nicht rechneten. Ging es dabei doch um den Fortbestand der westlichen Welt als solche, d.h. um eine reale Bedrohung der Freiheit. Werde diese Logik jedoch auf hypothetische Gefahren angewandt, drohe das Abgleiten in den Nihilismus, warnt Gärtner.

Nihilist sein heißt, irgend etwas für wichtiger zu erachten als das menschliche Leben in Freiheit und Würde. Aktuelle Musterbeispiele dafür sind ohne Frage islamistische Selbstmord-Attentäter. Weniger offenkundig ist die nihilistische Tendenz bei vielen "Klimaschützern" und Weltverbesserern. Doch auch sie stellen, wie Gärtner nachweist, nicht selten fragwürdige Ziele wie den Schutz des (nicht definierbaren) "Weltklimas" durch eine drastische Drosselung des Ausstoßes des angeblichen "Klimakillers" Kohlendioxid (CO2) und die Förderung so genannter erneuerbarer Energien mithilfe von Zwangsabgaben über das Ziel der Bewahrung von Freiheit und Menschenwürde. Sie nehmen dabei, so Gärtner, nicht nur in Kauf, dass die Armen infolge der Verteuerung von Nahrung und Energie noch ärmer werden, sondern verschlechtern auch allgemein die Voraussetzungen für den Fortgang technischer Innovationen und des Wirtschaftswachstums.

Noch boomt die deutsche Wirtschaft. Noch sind Strom und Treibstoffe für die meisten einigermaßen erschwinglich. Aber wenn das von der Bundesregierung bereits beschlossene Programm einer 40-prozentigen CO2-Einsparung bis zum Jahre 2020 bei gleichzeitigem Ausstieg aus der Nutzung er Atomenergie umgesetzt wird, könnte das ganz anders aussehen, mahnt Gärtner. Er zeichnet nach, wie der "Klimaschutz" zur letzten Bastion derer wurde, die auch im Zeitalter der Raumfahrt, der Globalisierung der Märkte und des Internet an der Fiktion einer geschlossenen Welt festhalten und Politik weiterhin im Sinne einer paternalistischen und protektionistischen Hauswirtschaft betreiben wollen. Doch eine Welt, in der für Glaubensfreiheit und individuelle Verantwortung kein Platz ist, sei weder erstrebenswert noch genüge sie dem Anspruch der Nachhaltigkeit, betont Gärtner.

In seiner Kritik des Nihilismus folgt Gärtner weitgehend den Argumenten des 1960 verstorbenen französischen Literaturnobelpreisträgers Albert Camus, lässt aber auch seine katholische Herkunft durchschimmern. Diese zeigt sich in dem das ganze Buch prägenden Vertrauen in die menschliche Intelligenz, in die Einheit von Glauben und Vernunft und in seiner Überzeugung, dass der gesunde Menschenverstand, selbst wenn er mit Brachialgewalt vor die Tür gesetzt wurde, sich letztlich durch die Hintertür doch wieder Zugang zur Gesellschaft verschafft und die Menschen daran erinnert, dass sie in einer in jeder Hinsicht offenen Welt leben.

Internet-Präsentation des Autors: www.gaertner-online.de

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